Bundesliga

Jadon Sancho: Grüße an den Tegernsee

Kommentar zum Ende des Transfer-Theaters beim BVB

Jadon Sancho: Grüße an den Tegernsee

Bleibt dem BVB erhalten: Jadon Sancho.

Bleibt dem BVB erhalten: Jadon Sancho. imago images

Uli Hoeneß hat vor einer Woche im Interview mit der FAZ die Dortmunder Transferpolitik getadelt und eine längere Verweildauer der BVB-Profis angemahnt. Das war im Grundsatz nicht falsch, offenbarte aber, dass der ehemalige Präsident des FC Bayern in seiner eigenen Welt lebt, in einer Welt der nahezu unbegrenzten Mittel. Mittel und Möglichkeiten, über die Dortmund nicht verfügt.

Ob Hoeneß nun in seinem Heim am Tegernsee erfreut in die Hände klatscht, dass die Borussia Jadon Sancho behält, ist nicht bekannt. Hoeneß die geistige Urheberschaft dafür zu bescheinigen, dass die Westfalen anders als bei Ousmane Dembelé, Pierre-Emerick Aubameyang oder zuletzt Christian Pulisic keinen Millimeter von ihrer knallharten Linie abweichen, wäre zu viel der Ehre. Die in Corona-Zeiten stolze Haltung, trotz schwindsüchtiger Kassen und hoher Verluste in diesem Sommer auf einen Riesenbatzen Geld zu pfeifen, geht beim BVB auf eigene Einsicht und gewiss nicht auf eine Hoeneßsche Handlungsempfehlung zurück.

Dortmunder Taubenschlag: 26 Transfers pro Saison

Seit Jahren herrschte im Dortmunder Kader ein Kommen und Gehen, Neustart folgte auf Neustart, man konnte sich an einen Taubenschlag erinnert fühlen. Seit 2015 wickelte Sportdirektor Michael Zorc 129 Transfers ab, durchschnittlich 26 pro Saison, Dortmund wurde zur Durchlaufstation. So entwickelte sich der BVB zu einem prosperierenden Unternehmen mit einem attraktiven sportlichen Angebot, erzielte aber nie jene personelle Kontinuität, die es braucht, um bei der Vergabe von Titeln häufiger berücksichtigt zu werden.

Dass Sancho jetzt bleiben wird, bedeutet nicht gleich einen Paradigmenwechsel. Aber dass die schon im Winter durch Emre Can und Erling Haaland klug verstärkte - und jetzt durch Thomas Meunier sowie Jude Bellingham weiter optimierte - Mannschaft bis auf Achraf Hakimi in diesem Sommer voraussichtlich keinen ihrer Top-Stars und Leistungsträger verliert, ist ein auch für die Liga ermutigender Vorgang: Hier wächst weiter zusammen, was die Münchner Monopolstellung eines Tages vielleicht doch ins Wanken bringen könnte.

Mit Sanchos Verbleib wächst der Druck auf Favre

Gleichzeitig steigt der Erwartungsdruck auf Lucien Favre, dem ein Verkauf Sanchos einen Anlass geliefert hätte, weiter als Bedenkenträger und Tiefstapler aufzutreten. Weil der Trainer aller Voraussicht nach nun aber nicht wieder ein neues Team formen und entwickeln muss, liegt die Messlatte für den zögernden Schweizer in diesem Jahr ein ganzes Stück höher als bisher.

Für Sancho hatte Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke 120 Millionen Euro aufgerufen. Ob Dortmund mit dieser Summe gleich eine unüberbrückbare Hürde aufbauen wollte, um potenzielle Interessenten abzuschrecken, hat niemand der Verantwortlichen verraten. Es gibt keine Logik hinter diesen Transferwerten, in Corona-Zeiten schon gar nicht. Das muss am Ende des Tages auch der Spieler akzeptieren, der seinem Beruf weiter in Dortmund nachgehen wird, ohne dass man ihn mit einer weiteren Anhebung der Bezüge besänftigen muss.

Sancho hat einen gültigen Vertrag. Sogar einen bis 2023, wie am Montag bekannt wurde. Aus diesem vor einem Jahr verlängerten und besser dotierten Arbeitspapier leiten sich Rechte und Pflichten ab. Für den 20-Jährigen und seine Berater spricht ausdrücklich, dass sie die Möglichkeit gar nicht erst andiskutierten, aus der Situation finanziellen Nutzen zu ziehen. Geld ist nicht unbedingt Sanchos erste Motivation, aber das wissen wir schon seit 2017. Wenn es ihm nur aufs Gehalt angekommen wäre, hätte er Dortmunds Offerte damals ablehnen müssen.

Thomas Hennecke

Die Vertragslaufzeiten der BVB-Profis